Raumspiele
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© Tanztheater Susanne Hajdu 2019


 
 
 
 
Wiederaufnahme - AKTION 8
 
"Liebe Mignonka"
ein fiktiver Brief Viktor Ullmanns an eine ungarische Jüdin, Herbst 1944, als Rahmen für ein inszeniertes Konzert mit Liedern von Viktor Ullmann u. Arnold Schönberg
 
(Video: Frank Benedikt, www.frankbenedikt.com)
 
"Liebe Mignonka,

die Welt hat viele dunkle Seiten in meinem Tagebuch und die dunkelste ist angebrochen!

Ich erinnere mich noch sehr lebendig an die anderen, hellen, als ich Dich das erste Mal sah - mit leuchtenden Farben in deinen Händen und Augen........"

 
Die Wege von Viktor und Mignonka kreuzen sich in den Jahren vor und während der Schrecken der Naziherrschaft. In einem fiktiven kurzen Brief erzählt Viktor noch einmal ihre (Liebes-) Geschichte. Im wirklichen Leben sind sie sich niemals begegnet, aber ihr früher Tod macht sie zur Schicksalsgemeinschaft mit Millionen. Projizierte und gesprochene Worte, Lieder und ein Tanzstück werden für Akteurinnen und Publikum zu einem Moment Leben gegen das Vergessen.
 
 

Viktor Ullmann
geb. 1898 in Teschen (bei Prag), Schüler Arnold Schönbergs, Kapellmeister am Deutschen Theater in Prag und Zürich. Kompositionen u.a. Klaviersonaten, Oper Der Kaiser von Atlantis, Lieder. Letztere entstanden großteils ab 1942 im Lager Theresienstadt. 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert und ebendort am 16.10. ermordet. "Viktor Ullmann glaubte an die regenerative Rolle der Kunst innerhalb der bedrückenden Lebensumstände des Ghettos." (Siglind Bruhn, Ullmann Opera in Kunstpunkt No. 14/1977 Wien)

 
 

Mignonka H.
ungarische Jüdin, geb. 1899, Pianistin, heiratet einen jungen Kaufmann aus ungarischer Familie mit polnischen Wurzeln, 2 Söhne. Der ältere Sohn wandert in frühen Jugendjahren nach Brasilien aus, der jüngere Sohn überlebt Arbeits- und Konzentrationslager. Ihr Ehemann überlebt den Krieg im Versteck in Budapest. Mignonka wird 1944 deportiert, ihr Todesort und Sterbedatum sind unbekannt.

 
 
Susanne Hajdu
Gesamtkonzept, Text
Geboren in Budapest, lebt in Wien. Tanztheaterproduktionen und Performances seit 1983. Inszenierungen mit bildenden und darstellenden KünstlerInnen in ausgefallenen Räumen (u.a. Technisches Museum Wien, Museum Liechtenstein, Amalienbad, Schillerplatz, Messepalast, u.v.a.). Inszenierte und choreographierte Liederabende seit 1993. Politisch engagierte Stücke. Exilthemen aus eigener Lebenserfahrung prägen die historische Spurensuche des Konzepts "Raumspiele".
 
 
Gisela Theisen
Gesang / Mezzosopran
Geboren in Köln, lebt in Wien. Gesangstudium mit Diplomabschluss und Auszeichnung, sowie musikpädagogisches Studium an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien. Klassisches Opern- und Liedrepertoire. Engagements als Solistin in Opernhäusern und Konzertsälen von Wien, Linz, Reims, Paris, Zagreb, Belgrad, Bozen, Köln. Zusammenarbeit mit Susanne Hajdu, "Der Kuckucksruf" in der Österreichischen Nationalbibliothek und im Kaisersaal Brauweiler/Köln zu "entarteter" Musik. Konzertauftritte und Liederabende in Frankreich, Österreich, Deutschland, sowie musikalische Leitung "Raumspiele" seit 2010.
 
 
Mami Teraoka
Liedbegleitung / Klavier
Mami Teraoka ist seit vielen Jahren überzeugte Wahl-Wienerin. Ausbildung zur Korrepetitorin bei Dr. Erik Werba. Seit 1989 Lehrauftrag als Korrepetitorin an der Musikuniversität Wien. Zahlreiche Konzert-, und Rundfunkaufnahmen führen die Pianistin in viele Länder Europas und Asiens, nach Israel, Ägypten, die USA, Südamerika und Australien. Seit 1998 offizielle Korrepetitorin bei internationalen Gesangswettbewerben. Szenische Liederabende mit Gisela Theisen.
 
 
Tänzerinnen, Performerinnen: Marlene Heidinger, Raffaela Pegani, Judith Schützeneder, Natascha Tagunoff, Gudrun Zimmermann
 
 
Sprechstimme: Philipp Wagner
 
 
"Liebe Mignonka,

die Welt hat viele dunkle Seiten in meinem Tagebuch und die dunkelste ist angebrochen!

Ich erinnere mich noch sehr lebendig an die anderen, hellen, als ich Dich das erste Mal sah - mit leuchtenden Farben in deinen Händen und Augen........ Dieses glitzernde Lachen und meine Begegnung mit deiner Stadt Budapest. Dur- und Molltöne und Violinschlüssel quollen aus der Donau. Die Bäume der Ufer sogen jeden Tropfen gierig in ihre blühenden Kronen, ihr Lebenstrank bis weit in den Herbst.

Jung voller Tagendrang und in großer Bewunderung zu meinem Maître Schönberg hielt mich Wien für eine Weile - einsam - gefangen. Du hast damals die Anreise nicht gescheut und ich hielt deine kleinen Hände fest in den meinen bis die Kühle des Abends uns aus modrig-süß duftenden Parkanlagen vertrieb.......

Wir nahmen die Tage und vergaßen die Zeit........ die Musik war mein Leben, das mich in deiner Gegenwart wie ein Feuerwerk durchströmte. Jetzt Jahre später spüre ich noch deine Verlockung und sehe dich tanzend im Fluss der Lebensjahre......

In einem unachtsamen Moment haben wir uns verlassen, ich folgte meinem musikalischen Weg nach Zürich, nach Prag. Du hast für deine Söhne, dein Klavierspiel gelebt und deinem Mann alle anderen Lieben verziehen.

An unterschiedlichen Orten brach das Bedrohliche in unser Leben. Du hast die ersten Zeichen erkannt. Die Dunkelheit sollte noch schneller auf uns zurollen und ihre schwarzen Tücher über Städte und Landschaften breiten.

Ich sehe deine zarte Silhouette wie sie die Stiegen hinabsteigt, die vielen Treppen dieses alten Hauses, wie sie die schweren Holztore mit beiden Händen aufstößt.

Du eilst an den Hausmauern entlang. Dein sonst so säuberlich geknotetes Haar flattert wild um deine Schläfen. Dein Schritt verlangsamt sich und versinkt in der unheimlichen Stille der Stadt.

Ich wollte dich warnen aber du hörtest mich nicht. Das Klangvolumen eines Symphonieorchesters sandte ich dir nach, um dich zur Umkehr in deine schützenden Wände zu bewegen, aber du hörtest mich nicht mehr.

Ich wollt in dieser Stunde ich hätte wenistens dich retten können vor den Schergen, die mich mit unendlich vielen in die Wagons verladen werden.......

Ich habe noch einen Funkten Licht und ein Stück Bleistift für die unzähligen Worte die ich dir sagen möchte - lass uns in das musikalische Licht eintauchen. Wie einen seidenen Faden ziehen wir es durch die Dunkelheit - und als fühle ich in diesem Augenblick deine liebe Hand in meiner - zur Faust geballt - wie ein Aufschrei gegen das Unsagbare. Ich löse sie zart, jeden einzelnen Finger und ich küsse sie. Mit diesem Traum bin ich dir wieder ganz nah.

Jetzt umfasse ich dein zartes Gesicht und die Strahlen unseres Lächelns berühren sich in leuchtenden Farben für immer.......

Dein Viktor" (Text: Susanne Hajdu ©)

 
 

"Dear Mignonka,

the world is full of dark sides that leave dark pages in my diary... and the darkest, I fear, are dawning...

I clearly remember the other days, the light ones, when I encountered your city Budapest and I first saw you.... your laughter effervescent... the light radiating from your eyes and the color from your hands..... open and filled with life........ Major and minor sounds and violin clefs swelled out of the Danube. The trees at the shore - thirsty - soaked up every drop into their blooming crowns until Autumn.

Young and full of zest and with a huge admiration for my Maître Schoenberg Vienna held me captive! You weren't afraid then making the journey and I held your small hands tight in mine until the chill of the evening exiled us from the damp, rotting, sweet smell of the Parks......

We took the days... forgetting about time....... Music was my life, it flowed through me like fireworks in your presence......

Now, years later, I am still feeling your captivation spell... and I can still imagine you dancing in the stream of the years of our lives.......

In an unguarded moment, we abandoned each other. I followed my musical path to Zurich and Prague. You lived for your sons and your beloved piano..... and forgave your husband all his other loves.........

In different places the threats broke into our lives. You recognized the first signs. The darkness rolled faster towards us and spread its black shroud over the cities and landscapes......

I imagine your tender silhouette descending the stairways of this old house and pushing open the heavy wooden door with both hands pressed firmly against it....

You make hast along the walls. Your hair, usually knotted, flutters wildly around your temples.... your steps slow down and get lost in the sinister silence of the city.....

I wanted to warn you... but you couldn't hear me. I sent the resonance of the whole symphony orhestra to you to make you return into your protective walls.... but you did not hear it.....

Now, in this moment, I wish I could have at least saved you from the henchmen, who will load me with endless others into the wagons.......

There exists still a spark of light in my heart and a little piece of pencil for the numberless words I would like to write you... Let us burrow into the rapture of music.... let us pull it like a silk thread through the darkness... as I feel your beloved hand in mine, clenched in a fist like a scream against that which cannot be expressed in words. I gently release it kissing each single finger ... In this reverie I feel close to you again....

I now embrace your tender face and the radiance of our smiles touch forever......

Yours, Viktor" (Text: Susanne Hajdu © / engl. Übersetzung: Cheryl S. Marinoff)

 
 
 
 
 
 

 


 
 

Sonntag 11.November 2018
16 Uhr

Theater Nestroyhof Hamakom, Wien
1020 Nestroyplatz 1


 
  Eintritt frei
Reservierung: +43 1 8900314
www.hamakom.at/liebe-mignonka
 
     
  Theater Nestroyhof Hamakom  
     
  Basis.Kultur.Wien  
     
  SPÖ Leopoldstadt  
     
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  Wiederaufnahme auf Initiative der SPÖ Sektion Vivarium-Czernin anlässlich des Gedenkjahres 1938-2018 in Kooperation mit dem Theater Nestroyhof Hamakom und Esra